Heinrich von Morungen – »Uns ist zergángen der lieplîch sumer« / »Der liebliche Sommer ist uns vergangen«

Personen

Heinrich von Morungen

Anke Engelmann

Thema

Jede Woche ein Gedicht

Autor

Heinrich von Morungen

aus: Nemt, frouwe, disen kranz … 101 mittelhochdeutsche Liebesgedichte, hg. und übertragen von Gunhild und Uwe Pörksen, Frankfurt/M.-Berlin-Wien 1982.

 

Die Audio­fas­sun­gen spricht Anke Engelmann.

 

Uns ist zer­gán­gen der lie­plîch sumer.
dâ man brach bluo­men, da lît nu der snê.
mich muoz belan­gen, wenne sî mînen kummer
welle volen­den, der mir tuot so wê.
Jâ klage ich niht den klê,
swerme ich gedenke an ir wîplîchen wangen,
diu man ze vröide so gerne ane sê.

Seht an ir ougen und mer­kent ir kinne,
seht an ir kele wîz und prüevent ir munt.
Si ist âne lougen gestalt sam diu minne.
mir wart von vrou­wen so lie­bez nie kunt.
Jâ hât si mich verwunt
sêre in den tôt. ich ver­li­use die sinne.
genâde, ein küni­ginne, du tuo mich gesunt.

Die ich mit gesange hie prise unde kroene,
an die hât got sînen wunsch wol geleit.
in gesach nu lange nie bilde alsô schoene
als ist mîn vrowe; des bin ich gemeit.
Mich vröit ir werdekeit
baz dann der meie und alle sîn doene,
die die vogel sin­gent; daz sî iu geseit.

 

 

Der lieb­li­che Som­mer ist uns vergangen,
wo man Blu­men brach, liegt nun der Schnee.
Die Zeit wird mir lang, wird sie mei­nen Kummer
irgend­wann stil­len, der mir so weh tut?
Ach, ich klage nicht um den Klee,
wenn ich an die Wan­gen die­ser Frau denke,
die man so gern, so vol­ler Freude ansieht.
Seht ihre Augen an und beach­tet ihr Kinn,
seht ihren wei­ßen Hals und prüft ihren Mund.
Sie ist wahr­haf­tig das Inbild der Liebe.
Nie hab‹ ich bei Frauen sol­chen Lieb­reiz gefunden.
Ach sie hat mich verwundet
bis in den Tod. Mir schwin­den die Sinne.
Gnade, Köni­gin, mach du mich gesund.

Die ich im Lied hier rühme und bekränze,
Gott hat sie nach sei­nem Ideal geschaffen.
Ich sah seit lan­gem kein so schö­nes Bild
wie meine Her­rin ist – das macht mich froh.
Mich freut ihr hoher Wert
mehr als der Mai und alle Melodien
die die Vögel sin­gen – das sei euch gesagt.

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