Ulf Annel – »silbergraublau – Ein Strandbuch«

Person

Ulf Annel

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Claus Cord

Erstdruck: Palmbaum 2/2018 / Thüringer Literaturrat e.V.

Gele­sen von Claus Cordt

Wenn Welle auf der Stelle sich reimt

 

Ein wich­ti­ger Mensch traf einst eine Ein­tei­lung: Hie Gedicht. Da Lyrik. Gedicht war alles, was Gedicht­form hatte und am bes­ten sich auch reimte, also Hoch­zeits­lie­der und Poe­sie­al­bum­sprü­che, Viel­strophi­ges und Wir­tin­nen­verse. Lyrik hin­ge­gen bekam nur dann die­sen Stem­pel, wenn es einer poe­ti­schen Idee ent­sprang. Was wie­derum eine poe­ti­sche Idee war, dar­über wis­sen auch wich­tige Men­schen bis heute nur Vages.

Ulf Annel, der Kaba­rett­mensch, muss von Berufs wegen rei­men, muss par­odie­ren und Quod­li­bets ver­fer­ti­gen kön­nen. Gele­gent­lich aber besinnt er sich auf ein gro­ßes Vor­bild: Joa­chim Rin­gel­natz. Mit des­sen Tex­ten hat er schon man­ches Pro­gramm pro­du­ziert, Vor­träge gehal­ten und in des­sen Sinne sich in Kin­der hineinversetzt.

All­som­mer­lich ver­bringt Annel viel Zeit an der Ost­see. Da tritt er abends auf, liest und schwimmt tags­über, fin­det an einer Reim­bu­che Lyrik(!)verrückte und Gedichte(!)liebhaber. Und weil er eines Tages auf far­bige, naiv-lus­tige Bil­der der Neu­stre­lit­ze­rin Anke Fabian traf, erwach­ten in ihm poe­ti­sche Ideen. Und weil er Rin­gel­natz, den Dich­ter, der sich nach den Rin­gel­nas­sen, den See­pferd­chen nannte, ver­in­ner­licht hatte, konnte er des­sen Methode nut­zen: Wir grü­beln – zum Bei­spiel im Sand – drauf­los, einer lan­gen Zeile folgt ein kur­zes Reim­wort, die Verse schla­gen und kab­beln sich, haben Füße und Bauch, um dann eine Weile gar nicht auf­zu­tau­chen – wir sind ja am gro­ßen Meer. Dann kom­men sie plötz­lich Welle auf Welle, schaum­ge­krönt. Man muss nur hin­hö­ren: Glib­ber, Ekel­ge­bib­ber, Sili­kon, Wohl­fühl­si­tua­tion, irri­tiert, frit­tiert, kapiert, Sonne und Wonne – auch bie­dere Reime mischen sich ein, hin und zurück vor Glück. Dies / ist der Vor­hof zum Para­dies. Es türmt und stürmt, der Seg­ler ver­se­gelt sich und der Dich­ter ver­dich­tet sich. »Ein wun­der­schö­nes Bild./ Wär es gemalt,/ hieß es:/ So was Mie­ses! / Der Maler hat sich in Kitsch geaalt.«

Der wich­tige Mensch kann vor all dem nur ste­hen, nix sehen, nur stam­meln, sich sam­meln: Irgend­was stimmt nicht an mei­nem Welt­blick: Isses noch Gedicht oder isses schon Lyrik?

  • Ulf Annel: sil­bergrau­blau – Ein Strand­buch. Bil­der von Anke Fabian. Demm­ler Ver­lag Rib­nitz-Dam­gar­ten, 2018, 72 S., Fest­ein­band, 12,95 EUR.
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