Stefan Lehnberg – »Die Affäre Carambol. Goethe und Schiller ermitteln«

Person

Dietmar Jacobsen

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Dietmar Jacobsen

Erstdruck: Palmbaum 2/2018 / Thüringer Literaturrat e.V.

Gele­sen von Diet­mar Jacobsen

Nun rei­ten sie wieder

 

Sie sind wie­der unter­wegs. Nach ihrem ers­ten Aben­teuer in Durch Nacht und Wind (2017), das von der Kri­tik durch­weg freund­lich auf­ge­nom­men wurde, haben sich Goe­the und Schil­ler, wie der Ber­li­ner Autor und Come­dy­tex­ter Ste­fan Lehn­berg (Jahr­gang 1964) sie sich vor­stellt, zum zwei­ten Mal aufs Pferd geschwun­gen und in Die Affäre Caram­bol gestürzt. Noch furio­ser, noch gefähr­li­cher und wage­mu­ti­ger und noch ein biss­chen freier mit der His­to­rie und der Ver­wick­lung der bei­den Wei­ma­rer Dich­ter­grö­ßen in die­selbe umge­hend, ist erneut ein amü­san­tes, kurz­wei­li­ges, gele­gent­lich sogar zum Nach­schla­gen in den Bio­gra­fien der bei­den Klas­si­ker rei­zen­des Büch­lein entstanden.

Frank­furt ist dies­mal das Ziel des Duos. Man schreibt das Jahr 1801. Schil­ler hat noch vier, Goe­the noch 31 Jahre zu leben. Kein Wun­der also, das Ers­te­rer sich Arbeit mit an den Main genom­men hat – er schreibt an sei­nem Dra­men­frag­ment Die Mal­te­ser, das frei­lich erst knappe ein­hun­dert Jahre spä­ter das Licht der Öffent­lich­keit erbli­cken sollte -, wäh­rend sein älte­rer Freund – Goe­the eben! – sich die Zeit für eine kleine Lie­be­lei nimmt. Man besucht des Dich­ter­fürs­ten Mut­ter im Haus am Gro­ßen Hirsch­gra­ben, sucht gemein­sam die Orte auf, an denen Goe­the seine Kind­heit und Jugend ver­brachte, und lässt sich schließ­lich von zwei Frank­fur­ter Rats­her­ren dazu über­re­den, sich inof­fi­zi­ell mit der Auf­klä­rung etli­cher Vor­fälle zu befas­sen, die dar­auf hin­deu­ten, dass eine geheim­nis­volle Macht ver­sucht, Frank­furt in einen Kon­flikt mit dem Frank­reichs Napo­le­ons zu treiben.

So wer­den u.a. Berge von Mehl in die Stadt gekarrt, die umge­hend an geheim­nis­volle Orte ver­schwin­den und dort offen­bar zu dem Zweck gehor­tet wer­den, im Falle einer Bela­ge­rung der Stadt durch die Fran­zo­sen um etli­ches teu­rer wie­der ver­kauft als zu wer­den, als sie bei den Mül­lern der Umge­bung erwor­ben wur­den. Aber wer spe­ku­liert so unver­schämt auf eine Not­lage der Frank­fur­ter Bevöl­ke­rung? Und wel­chen Job sol­len die gut 160 Män­ner erle­di­gen, die im Laufe eines Jah­res in der Stadt ange­kom­men sind und sich kurz danach buch­stäb­lich in Luft auf­lös­ten, in kei­ner Her­berge, an kei­ner Pri­vat­adresse mehr auf­zu­fin­den sind und unter dem Befehl eines gefürch­te­ten Hau­de­gens stehen?

Wilde Ver­fol­gungs­jag­den zu Pferde und auf dem Kutsch­bock, dunkle Gänge im Unter­grund, bren­nende Schlös­ser, Ent­füh­run­gen und der finale Unter­gang eines Segel­boo­tes auf dem Main – lang­wei­lig wird es an kei­ner Stelle in Lehn­bergs klei­ner, sti­lis­tisch wie­der an den Ton der Zeit ange­lehn­ten Geschichte. Und weil die bei­den kri­mi­na­li­sie­ren­den Edel­fe­dern nach ihrer Rück­kehr ins beschau­li­che Wei­mar eine über­ra­schende Bot­schaft erreicht, die das Erlebte noch ein­mal in einem ganz ande­ren Licht erschei­nen lässt, bleibt das emp­feh­lens­werte Büch­lein auch bis zur letz­ten Seite spannend.

Dass das Ende der Affäre Caram­bol nicht das Ende der »cri­mi­na­lis­ti­schen« Aben­teuer des Klas­siker­duos bedeu­tet, konnte man übri­gens kürz­lich in einem Inter­view mit Ste­fan Lehn­berg lesen. Dem­nach beab­sich­tigt der Autor, aus sei­ner Idee, Goe­the und Schil­ler als Vor­rei­ter von Sher­lock Hol­mes und Dr. Wat­son Fälle lösend durch die Lande zu schi­cken, eine drei­zehn­tei­lige Serie zu machen. Nun denn: Wir freuen uns erst ein­mal auf Teil 3.

  • Ste­fan Lehn­berg: Die Affäre Caram­bol. Goe­the und Schil­ler ermit­teln. Kri­mi­nal­ro­man. Stutt­gart: J. G. Cotta’sche Buch­hand­lung  2018, 232 Sei­ten, 15,- Euro.
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