Hans-Jürgen Döring – »Innere Reise. Gedichte aus dem Nachlass«

Personen

Hans-Jürgen Döring

Dietmar Ebert

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Dietmar Ebert

Thüringer Literaturrat e.V. / Die Reihe »Gelesen & Wiedergelesen« entstand mit freundlicher Unterstützung der Thüringer Staatskanzlei.

Gele­sen von Diet­mar Ebert

 

Nach Thea­trum mundi (2007) und Ins Meer geru­fen (2013) liegt nun mit Innere Reise  Hans-Jür­gen Dörings drit­ter Lyrik-Band vor. Vol­ler Freude hat er von sei­nem künf­ti­gen Gedicht­band erzählt. Nun sind es Gedichte aus dem Nach­lass gewor­den. Es ist Jens-Fietje Dwars und Mar­tin Straub zu dan­ken, dass sie dem schma­len Lyrik-Band sehr ein­fühl­sam im Sinne Hans-Jür­gen Dörings den letz­ten Schliff gege­ben haben. Sein Wunsch war es, die Gedichte mit sinn­li­chen, ins Reich der Träume füh­ren­den Farb­zeich­nun­gen des Erfur­ter Malers Lutz Gode zu kombinieren.

Der Thü­rin­ger Lite­ra­tur­rat e.V., der als Her­aus­ge­ber des Ban­des fun­giert, und die Fried­rich-Ebert-Stif­tung haben das schnelle Erschei­nen der Gedichte Hans-Jür­gen Dörings ermöglicht.

Innere Reise – das heißt Inne­hal­ten. Für den Dich­ter war es an der Zeit, eine Zwi­schen­bi­lanz zu zie­hen, Welt und Poe­sie neu zu ver­mes­sen. Uner­füll­bare Hoff­nun­gen und poli­ti­sche Illu­sio­nen wer­den nun end­gül­tig ver­ab­schie­det.  So heißt es im Gedicht Klei­ner Trost (S.26): Hör end­lich auf mit dem Gewimmer/auch wenn du Ver­lie­rer der Schlacht bist/egal wer an der Macht ist/karniffelt wird immer. Doch das ist kein Grund für Selbst­mit­leid. Das lyri­sche Ich ist offen für Künf­ti­ges. Viel­leicht fin­det sich in Engel­haft aus­ge­leuch­tet (S.14) seine prä­gnan­teste Ort­be­stim­mung: Ein Anker im Him­mel, so stehst du hier/gehört auch die Macht den Mächtigen/ich allein gehör dir. Schon in die­sen bei­den klei­nen Gedich­ten zeigt sich, wie Hans-Jür­gen Döring behut­sam mit Reim und Rhyth­mus expe­ri­men­tiert. Er lotet die Gren­zen des Rei­mes aus und nutzt ihn lis­tig, um Lebens­weis­hei­ten ins Gedicht zu schmug­geln. Das lyri­sche Ich, das uns in Innere Reise ent­ge­gen tritt, ist ein Mehr­fa­ches: Es bilan­ziert, es bricht auf und lauscht dem eige­nen Ton nach. Ein ruhi­ger, nach­denk­li­cher, manch­mal fast ele­gi­scher Ton zeich­net fast alle Gedichte Dörings aus.

Seine poe­ti­sche Welt ist auch in Innere Reise von Engeln bevöl­kert. Doch nicht allein der, des­sen Hemd sehr fein ver­ziert ist, begeg­net uns, son­dern auch aus Ram­sch­fet­zen ein ver­lo­re­ner Engel/mit ein­wärts geknick­tem Knie/verdient sein  Mit­ge­fühl. (S.42) Er erin­nert ein wenig an Paul Klees „Ange­lus Novus“, in dem Wal­ter Ben­ja­min „den Engel der Geschichte“ erblickt hat.

Dem „Engel der Geschichte“ bei­zu­ste­hen, ist das nicht die­ses die Schicht des Leben­di­gen fest­hal­ten in der Kno­chen­mühle der Zeit (S.28)?

Die­sem Anspruch stel­len sich alle 33 Gedichte in Hans-Jür­gen Dörings Inne­rer Reise, gleich­viel ob es nun selbst­re­fle­xive Gedichte, Ele­gien oder Lie­bes­ge­dichte sind. Mit Berauscht (S.9), Im end­lo­sen SPIEL DER BILDER die Land­schaft dei­nes Kör­pers (S. 20), Klei­ner Vers auf der Zunge (S.27), Über­blen­det (S. 35) und  WIE DEINE WORTE (S. 37) sind ihm fili­grane Lie­bes­ge­dichte von gro­ßer Ein­dring­lich­keit und Schön­heit gelun­gen. Der Rhyth­mus folgt dem natür­li­chen Fluss des Atems, manch­mal sogar der Reim.

Im Anfang  (S. 5), Aus­ge­wor­fen (S. 6), Blick in den Spie­gel (S.7) Befund (S.12) und Glücks­su­cher (S.19) zei­gen, wie Selbst­ver­or­tung gelin­gen kann, ohne in Resi­gna­tion zu ver­fal­len. Rück­zug war Hans-Jür­gen Döring fremd. Immer ist er zu Neuem auf­ge­bro­chen. Diese Zwi­schen­bi­lanz hat nun eine end­gül­tige Form ange­nom­men. Ihr wohnt Sub­ver­si­ves und Wider­stän­di­ges inne.

 

Ich spiele den Blues
mit Hand und Fuß
zwi­schen Wahn und Wahrheit
zwi­schen Traum und Klarheit

Ich spiele den Blues
zwi­schen Asche und Ruß
mein Botenbericht
ein Clownsgesicht

Ich harre der Kin­der und Toren
dass mein Schutz­wall nie­mals zerfällt
Das Eigene noch lange nicht verloren
in der selt­sam ver­sperr­ten Welt

Trost und Zuspruch mein Gruß
Ich spiele den Blues

 

In die­sem Gedicht zei­gen sich noch ein­mal die Hal­tung des Dich­ters zur Welt und seine ihm eigene Poe­tik. Er hat sich auf die leise, wider­stän­dige Kraft sei­ner Stimme beson­nen, und so steht er nun dem „Engel der Geschichte“ zur Seite.

Danke, Hans-Jür­gen Döring.

  • Hans-Jür­gen Döring: Innere Reise. Gedichte aus dem Nach­lass, Quar­tus-Minia­tu­ren, Band 5, Quar­tus-Ver­lag Bucha bei Jena 201
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